„Vom Zuschauer zum Gestalter“:
Gute erste Erfahrungen mit dem von der Stadt Hanau ausgeübten Vorkaufsrecht
„Vom Zuschauer zum Gestalter“ ist der Sachstandsbericht über das Ausüben von Satzungs- und Vorkaufsrechten als Steuerungsmittel der Stadtentwicklung überschrieben, den die städtische Bauprojekt Hanau GmbH dem Struktur- und Umweltausschuss gegeben hat. Vor einem Jahr hatten die städtischen Gremien beschlossen, mit diesem offensiven Instrument flexibler und schneller auf städtebauliche Missstände und Fehlentwicklungen reagieren zu können. Mit dieser neuen Strategie nutzt die Stadt die Möglichkeiten des Baugesetzbuches (BauGB). Die Stadtverordneten befassen sich jetzt mit einer Vorkaufsatzung für das Gebiet Hauptstraße Großauheim.
In dieser Stadtteil-Einkaufsstraße „zeigen sich seit Jahren zunehmend negative Entwicklungen und Trading-Down-Effekte, die zu einer starken Einschränkung des Angebots oder zur Schließung (Aufgabe) von inhabergeführtem Einzelhandel geführt haben“, heißt es in der Stadtverordnetenvorlage. Weite Teile der Hauptstraße seien inzwischen von Leerstand betroffen.
Das Beispiel Hauptstraße war eines unter mehreren im Stadtgebiet, die Thomas Müller als von Bauprojekt Hanau beauftragter Fachmann der terramag GmbH dem Ausschuss präsentierte. Er sagte eingangs, dass die Corona-Pandemie das Ladensterben dramatisch beschleunige und gleichzeitig „Verödung und Vereinheitlichung der Angebote“ beispielsweise mit Barbershops und Nagelstudios selbst in EinsA-Geschäftslagen zunähmen. Solches Geschäftsniveau zu heben und teils nötige Gebäudesanierungen voranzutreiben, gelinge in erster Linie aus der Eigentümerrolle heraus.
Martin Bieberle berichtete als Leiter des Fachbereichs Planen, Bauen und Umwelt, es gebe in der Innenstadt mehrere Beispiele dafür, dass gerade in Erdgeschosszonen ein bedenklicher gestalterischer Niedergang zu verzeichnen sei. Daher wolle die Stadt Hanau in Einzelfällen sowohl in der Nürnberger Straße als auch in der Hospitalstraße gezielt ihr Vorkaufsrecht ausüben, um das zu ändern.
Herausforderungen ähnlicher Art bestünden auch an Wohnstandorten, so Müller weiter. Die Eigentums- und Nutzerstruktur verändere sich aufgrund der altersbedingten Immobilienverkäufe genauso wie wegen der höheren Ansprüche an Wohnkomfort und Energieeffizienz bei Häusern aus den 1960er bis 1980er Jahren. Das ungeregelte Spiel der Marktkräfte führe zum Verdrängen der angestammten Bewohnergruppen und unausgewogenen Sozialstrukturen. So entstünden beispielsweise sogenannte Boarding-Häuser, die mit Kleinwohnungen für Saison- und Niedriglohn-Arbeitern überbelegt seien. Müller zeigte Fotos von Gebäuden, in denen ehedem eine oder zwei Familien wohnten, wo jetzt aber teils ein Dutzend Briefkästen hingen.
Die von ihm geschilderten Verschlechterungsprozesse bezog er vor allem auf den Stadtteil Nordwest. Auch hier nutzt die Stadt Hanau mittlerweile grundsätzlich ihr Vorkaufsrechtrecht per Satzung.
Hoffnung machten Müller und Bieberle mit weiteren positiven Beispielen vornehmlich aus der Innenstadt. Dazu zählte er den ersten Pop-Up-Store an der Ecke Rosenstraße/Nürnberger Straße, wo der Eigentümer der Stadt als Zwischenmieterin finanziell entgegenkomme. Zudem zeige sich, dass sowohl der Käufer des Ärztehochhauses an der Ecke Mühl-/Rosenstraße als auch Interessenten für ein Ärztehaus in der Friedrich-Ebert-Anlage wegen der städtischen Vorkaufsatzung das Gespräch mit der Stadt gesucht hätten. Daraus resultiere, dass der Hochhaus-Käufer vom Programm zur Fassadengestaltung profitieren und im Erdgeschoss eine ansehnlichere Eingangssituation in der Fußgängerzone Rosenstraße herbeiführen wolle. Für das Ärztehaus werde eine gemeinsame Zielvereinbarung mit der Stadt angestrebt.
Als neuen Verbesserungsansatz stellte Müller kurz die Innovationspartnerschaft „Innenstadt 2030/ Future Public Space“ des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft vor. Dabei gehört Hanau zu den ausgewählten Partnerstädten, wo ein Forschungsteam mit Hilfe strategischer Zukunftsszenarien neue Innenstadtkonzepte entwickelt. Konkret geht es um zu testende Prototypen vor allem für Handels- und Kulturangebote.
„Das zeigt, dass Hanaus Bemühungen um seine Innenstadt uns mittlerweile in einer Fachwelt-Liga interessant macht, von der wir vor dem Innenstadt-Umbau nur hätten träumen können“, bilanziert Oberbürgermeister Claus Kaminsky abschließend. Ähnlich gelte das für die Strategie des gezielt eingesetzten Vorkaufsrechts, denn die Stadt handele hier aus einer „Position der Stärke, und das scheinen Investoren verstanden zu haben“.