Robustes Gewerbe weicht urbanem Quartier

Umgestaltung des Hauptbahnhof-Areals: Erste konkrete Planungen für zukünftige Bebauung

Hanau – ‚Das Areal kann mehr‘: Dieser Satz ist quasi der Leitspruch der Stadt Hanau bei der künftigen Entwicklung des Gebietes nordöstlich des Hauptbahnhofes. Gesagt hat den Satz Thomas Müller, Geschäftsführer des Bauentwicklers Terramag, bei der Vorstellung des Sachstandberichtes der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme im Hanauer Rathaus.

Diese Maßnahme befindet sich zwar noch in der Frühphase, in der sogenannten Vorbereitenden Untersuchung (VU), die bis Ende 2021 laufen soll. Dennoch geht davon jetzt schon ein Zeichen aus: Hier passiert etwas.

Hanaus Hauptbahnhof hat den Makel, dass er vergleichsweise weit weg von der Innenstadt liegt; noch dazu sind das Gebäude und das Areal drumherum alles andere als eine optische Visitenkarte für die Festspielstadt. Doch das ändert sich: Die Erneuerung der Personenunterführung unter den Gleisen des Hauptbahnhofes sowie der Umbau von zwei Bahnsteigen haben bereits begonnen. Und in absehbarer Zeit soll das gesamte Areal sein Gesicht verändern. Ziel ist ein urbanes Stadtquartier, in dem vor allem gearbeitet wird. Denn – das ist von vornherein klar – neue Wohngebiete werden dort aufgrund der Seveso-Richtlinie, in der der Sicherheitsabstand zwischen Industriebetrieben und Wohngebieten festgelegt ist, nicht möglich sein. Für die Umsetzung habe die Stadt Hanau die Besitzer der betreffenden Flächen angeschrieben, wie Stadtentwickler Martin Bieberle im Gespräch mit unserer Zeitung erläutert.

Konkret in der Planung ist bereits der Neubau des ‚Hauses rund um das Erwerbsleben‘ gemeinsam mit der Agentur für Arbeit. Wo derzeit noch ein Parkplatz von Heraeus ist, entsteht zwischen Am Hauptbahnhof, Ottostraße und Industrieweg der städtische Teil des ‚Hauses rund um das Erwerbsleben‘. Die Agentur für Arbeit beginnt mit ihrem Neubau an der Boschstraße. Ein Haus südlich des Parkplatzes will die Stadt Hanau erwerben. Dies soll durch die Entwicklungsgesellschaft Bauprojekt Hanau geschehen, die von Aurelis/ Deutsche Bahn über das Vorkaufsrecht bereits 16 000 Quadratmeter Fläche zwischen Hauptbahnhof und Daimlerstraße erworben hat.

Dort soll in Gleisnähe ein fünfgeschossiges Parkhaus mit 1000 Stellplätzen entstehen. Zudem sei im Übergang zum Bahnhofsvorplatz ein attraktiver Platz mit Gastronomie und neu gestaltetem Busbahnhof denkbar, ferner mit Parkandride sowie Leihstationen für Autos und Fahrräder. Ein Parkhaus für 500 Fahrräder direkt westlich vom Bahnhofshaupteingang sieht die Planung ebenso vor wie ein weiteres fünfgeschossiges Parkhaus für 1750 Auto- Abstellplätze auf der Südseite des Hauptbahnhofes (Röderseestraße).

Einen Rahmenplan gibt es darüber hinaus auch für das fast fünf Hektar große Gelände von Heraeus Quarzglas, den Felix Pfitzer, Geschäftsführer der Heraeus Site Operations GmbH & Co. KG, vorstellte. Heraeus wird wie berichtet seine Produktion in der Quarzstraße bis spätestens Mitte 2023 nach Kleinostheim verlagern. Somit steht das Areal für eine Nachnutzung zur Verfügung.

Das städtebauliche Konzept wurde vom Frankfurter Architektenbüro Albert Speer und Partner erarbeitet und sieht vor, einige Industriegebäude aus Backstein im Kern des Geländes zu erhalten. Um diese Gebäude herum soll unter dem Namen ‚Heraeus Plaza‘ eine autofreie Zone entstehen. In den alten sowie neu zu errichtenden Gebäuden seien ‚moderne Arbeitswelten‘ in Büros und kleineren Gewerbeeinheiten denkbar.

Zum Schutz gegen Bahnlärm sieht das Konzept ein Parkhaus an der Westspitze an der Güterbahnhofstraße vor. Die Verkehrserschließung soll auch weiterhin hauptsächlich von der Dettinger Straße her über die Quarzstraße erfolgen. Durch eine Umstrukturierung soll das derzeit noch abgeschlossen wirkende Areal als Bindeglied zur Innenstadt geöffnet werden. Ein Hotel, zum Hauptbahnhof hin gelegen, ist optional im Entwurf enthalten. Ob es Realität wird, so Martin Bieberle, hänge allerdings von der weiteren Entwicklung der Hotelbranche in der Corona-Krise ab.

Im Heraeus-Quartier soll ‚leichtes Gewerbe‘ der Arbeitswelt 4.0 einen Standort finden, wie Pfitzer beschrieb. Fuß- und Radverkehr sollen Vorrang haben. Von der ‚Heraeus Plaza‘ in RichtungHauptbahnhof sieht das Konzept einen neuen städtischen Boulevard mit viel Grün vor, der in die Boschstraße mündet.

Noch nicht geklärt ist, ob die Hanauer Straßenbahn (HSB) und der städtische Eigenbetrieb Hanau Infrastruktur Service (HIS) mit ihrem Betriebshof und dem Verwaltungsgebäude an der Daimlerstraße bleiben oder 2021 ein neuer Standort gefunden wird. Daher sieht das Konzept zwei Szenarien vor: Falls HSB und HIS umsiedeln, soll das Gelände in den urbanen Gewerbepark mit einbezogen werden. Falls nicht, sollen die sanierungsbedürftigen Hallen schrittweise durch neue ersetzt und der Betriebshof gegebenenfalls durch Geländeankauf ausgedehnt werden

Der Wertstoffhof wird wohl in jedem Fall ausgegliedert werden, wie Bieberle im Rahmen des Termins im Rathaus äußerte. Wenn HIS und HSB am angestammten Platz bleiben, soll dieser laut dem Entwurf des von der Stadt Hanau beauftragten Büros ‚planquadrat‘ durch ein markantes Verwaltungsgebäude an der Ecke zur Boschstraße den neuen Boulevard abschließen. An der B43a eigne sich das an einen Entwickler verkaufte Rütgers-Areal für eine ‚robuste gewerbliche Nutzung‘. Ein Bauantrag für mehrere multifunktional nutzbare Gewerbehallen sei in Arbeit.

Die Hoffnung, auch das Hauptbahnhof-Gebäude zu erwerben und zu sanieren, hat die Stadt noch nicht aufgegeben. Bislang hatte die Deutsche Bahn dem Ansinnen allerdings eine Abfuhr erteilt. Der ‚Gewerbepark Hauptbahnhof‘ werde ein Projekt für mindestens ein Jahrzehnt, macht Bieberle deutlich. Aufgrund seiner Größenordnung soll das Gesamtareal mit Partnern, sprich Investoren, entwickelt werden. Denn ‚allein aus städtischer Kraft ist das nicht denkbar‘, so Hanaus Stadtentwickler. Herbst 2021 nennt er als ‚idealen Startzeitpunkt, um damit an den Markt zu gehen‘.

Bis dahin sollen ein städtebauliches Konzept ausgearbeitet, Kostenaufwand und Finanzierungswege benannt sowie analysiert werden, wie sich die Planungen auf Immobilieneigentümer und -nutzende im Entwicklungsgebiet auswirkt.

VON DAVID SCHECK