2012 beschloss die Stadtverordnetenversammlung von Bad Orb den Vertrag mit der HLG zu kündigen und mit einem geeigneten Steuerer das langwierige Projekt Michaelstraße/Lautzenstraße schnellstmöglich zu Ende zu führen. 2013 stellte die Terramag ein überzeugendes Entwicklungskonzept vor, erhielt Ende 2014 den Vertrag und startete 2015. Verschiedene Grundstücke für notwendige Ausgleichsmaßnahmen konnten von der Stadt erworben werden, und der Magistrat beschloss die Baulandumlegung.

Blick auf das Neubaugebiet. Links im Bild ist die Großturnhalle zu sehen.

Unendliche Geschichte mit glücklichem Ende Abnahme des Vorstufenausbaus im Baugebiet Michaelstraße/Lauzenstraße: Ein Rückblick

Bad Orb (ez). Auf der einen Seite ist viel Wasser den Haselbach heruntergeflossen, bis aus dem Gebiet Michaelstraße / Lauzenstraße tasächlich ein Neubaugebiet werden konnte, und auf der anderen Seite verflossen gerade einmal 20 Monate vom ersten Spatenstich am 1. April 2019 bis zur Endabnahme des Vorstufenausbaus. „Die erfolgreiche Zusammenarbeit aller Beteiligten wurde in dieser Woche durch eine mängelfreie Abnahme gekrönt“, erklärte Bauamtsleiterin Sabine Mühl, „und der erste Bauantrag ist diese Woche auch schon eingegangen“. Stadtplaner Robert Ritter hat sich angesichts dieses Meilensteins die Mühe gemacht, die Geschichte zum Wohnbaugebiet „Michaelstraße / Lauzenstraße“ zu recherchieren. Daraus ergibt sich, mit welchen Problemen die Parlamentarier und Verwaltung zu kämpfen hatten und warum so viel Wasser den Haselbach herunterfließen konnte.

Tatsächlich sind bereits unter Bürgermeister Anton Drisch (1945 – 1961), dem künftig eine Straße im Neubaugebiet gewidmet wird, vor 70 Jahren erste Bemühungen zu erkennen. „Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs müssen für die in Bad Orb durch den Zuzug aus den zerstörten Städten und durch Flüchtlinge aus den Ostgebieten stark angewachsene Einwohner-zahlen dringend neuer Wohnraum und neue Arbeitsplätze geschaffen werden“, schreibt Robert Ritter zu Beginn der Aufzeichnungen. Daher wurde 1950 ein „Bebauungsplan“ für die Stadt erstellt, der zahlreiche Baugebiets-erweiterungen vorsah, darunter ein Gebiet oberhalb der Lauzenstraße. Das Regierungspräsidium Wiesbaden sah das allerdings anders. Und so hieß es Ende 1950 in einem Schreiben an den Landrat des Kreises Gelnhausen: „Mit der Ausweisung des Wohngebiets ‚Im Lautzenberg‘ wird das landwirtschaftliche Siedlungsgebiet zum Außengebiet abgeriegelt. Zur Erhaltung des unmittelbaren Übergangs vom landwirtschaftlichen Siedlungsgebiet zu den landwirt-schaftlich genutzten Flächen ist das Wohngebiet aus den Plänen herauszunehmen und in der vorhandenen Nutzung darzustellen.“

Die ersten neuen Entwurfsskizzen zu einem Baugebiet oberhalb der Lauzenstraße stammen dann aus den 60er-Jahren, unter Bürgermeister Robert Bauer (1968-1986). Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre gab es Bauge-nehmigungen für zwei Wohnhäuser (Wemmstraße und Lauzenstraße). Diese Ausnahmegenehmigungen wurden im Vorgriff auf die damals in Kürze erwartete Rechtskraft des Bebauungsplans erteilt. In beiden Fällen wurde mit der Stadt Bad Orb ein Vertrag abge-schlossen, in dem die Eigentümer erklärten, dass sie mit einer künftigen Baulandumlegung und der da-mit notwendigen Erschließung ein-verstanden sind. Das Plangebiet ist im Jahre 1974 im Entwurf eines  Flächennutzungsplans als „Wohngebiet-Planung“ enthalten. Vier Jahre später ist der Aufstellungsbeschluss „Bebauungsplan Lauzenberg“ durch die Stadtverordneten-versammlung erfolgt. Gemäß Beschluss des Magistrats vom April 1984 ging der Planungsauftrag für die Aufstellung des Bebauungsplans „Lauzenberg“ an die gemeinnützige Siedlungsgesellschaft „dfh“ aus Worms. Im Vorgriff auf den Bebauungsplanentwurf wurden im Oktober 1984 Konzeptionen für die  Straßenplanung entwickelt und vorgelegt und im November 1984 der Stadt Bad Orb ein Umlegungsplan als Grundlage einer freiwilligen Umlegung übergeben. Im Dezember 1984 erfolgten die Vorlage eines vorläufiges Planentwurfs sowie eine gemeinsame Ortsbegehung mit der Unteren Naturschutzbehörde mit dem Ergebnis, dass die Belange der Grünordnung verstärkt in den Plan aufgenommen werden sollten. Die Übergabe dieses Plans mit Textfestsetzungen erfolgte im Dezember 1984 an die Untere Naturschutzbehörde.

Immer wieder Bedenken der Behörden

 Stetig wurde weitergearbeitet. Von Ende 1985 bis Anfang 1986 stand die Anhörung der Träger  öffentlicher Belange an: Bei diesem Anhörungsverfahren wurden von mehreren Behörden Bedenken vor-gebracht. Eine formelle Abwägung der vorstehenden Bedenken erfolgte nicht. Die vorgebrachten Bedenken erschienen zu umfangreich, und in der Priorität der städtischen Bauleit-planung wurde der Bebauungsplanentwurf „Langenacker“ seitens der damaligen Verwaltungs-führung als dringlicher angesehen und 1993 zur Bestandskraft geführt. Das Bauleitplanverfahren „Michaelstraße / Lauzenstraße“ wurde damit faktisch eingestellt. Bereits 1992 gründete sich eine Interessengemeinschaft der Grund-stückseigentümer „Lauzenberg“. Diese erhob gegenüber der Stadt Bad Orb die Forderung, dass der im Planentwurf von 1985 festgelegte Geltungsbereich (Oberkante Großturnhalle, verlängerte Linie bis zur Wemmstraße) auf keinen Fall dezimiert werden soll. Damals war Hugo Metzler Bürgermeister (1986 – 1998). Für die Neubearbeitung des Plangebiets „Michaelstraße/Lauzenberg“ wurde 1994 mit einem Hanauer Ingenieurbüro ein Vertrag abgeschlossen. Der Geltungsbereich wurde auf Drängen der Interessengemeinschaft nicht verändert, obwohl gerade dieser nördliche Be-reich von der naturschutzrechtlichen Seite für äußerst bedenklich gehalten wurde. Nach Vorlage des überarbeiteten Entwurfs wurde  dieser der Oberen Naturschutzbehörde zur Stellungnahme vorgelegt. Das Regierungspräsidium stellte auch diesmal fest, dass sich die nördlichen Teilbereiche unter naturschutzfachlichen Gesichtspunkten nicht für eine Bebauung eignen würden. 1997 beschloss die Stadtverordnetenversammlung die Offenlegung des „Bebauungsplans Lau-zenberg“. Die erheblichen Bedenken der Naturschutzbehörden konnten nicht ausgeräumt werden.

Weiter geht es in der Ära von Bürgermeister Wolfgang Storck (1998 – 2010). Die vorgebrachten Vorbehalte der Oberen und Unte-ren Naturschutzbehörde führten im Juni 1999 dazu, dass die Abwägung zum Bebauungsplanentwurf „Lau-zenberg“ beschlossen und auf Vorschlag der Verwaltung der Bebauungsplanentwurf „Lauzenberg“ durch einen mit reduziertem Geltungsbereich neu aufzustellenden Bebauungsplan „Verlängerung Michaelstraße Teilplan 1“ ersetzt wurde. Für diesen neuen reduzierten Geltungsbereich wurde seitens des Regierungspräsidiums Darmstadt eine gute Chance für eine Genehmigungsfähigkeit signalisiert. Aufgrund der finanziellen Situation der Stadt Bad Orb waren für die Erstellung eines Bebauungsplans im Jahre 2003 keine entsprechenden finanziellen Mittel im Haushalt vorgesehen. Andere Bauleitplanverfahren hatten zudem eine höhere Priorität.

Grundstückseigentümer stellen Dienstaufsichtsbeschwerde

Die Interessensgemeinschaft der Grundstückseigentümer Wemm-straße/Lauzenberg forderte weiterhin die Ausweisung von Baugelände im oberen Gebiet und  stellte sogar Dienstaufsichtsbeschwerden, die jedoch vom Landrat zurück gewiesen wurden. Eigentümerversammlungen, -gespräche und -befragungen schlossen sich an, da die Hessische Landgesellschaft (HLG) erklärte, dass Erschließungsmaßnahmen erst dann durchgeführt werden könnten, wenn die Stadt im Besitz eines Großteils der zu entwickelnden    Grundstücke sei. Es ging hin und her, um die Bodenbevorratung zu gewährleisten, damit das Gebiet erschlossen werden könnte. Seitens der HLG wurde als einziger gangbarer Weg eine Baulandumlegung vorgeschlagen. 2006 erfolgte die Beauftragung eines Planungsbüros zur Erstellung eines neuen Bebauungsplans. 2007 wurden zwei Erschließungsabschnitte festgelegt und der Auftrag zur Erschließungsplanung vergeben und von der Stadtverordnetenversammlung die Aufstellung des Bebauungsplans beschlossen. Die Öffentlichkeit wurde 2008 frühzeitig mit einer  Offenlage beteiligt. Das Regierungspräsidium erachtete aufgrund der Vorgaben im Regionalplan Südhessen eine Reduzierung um rund die Hälfte des Planbereichs für erforderlich. 2009 wurde das Umlegeverfahren beschlossen, ebenso erfolgten die Erstellung eines artenschutzrechtlichen Fachbeitrags und einer Verkehrsuntersuchung. Das Regierungspräsidium war nach den Ergebnissen nun nicht mehr so abgeneigt. Es sagte eine wohlwollende Prüfung zu und stellte eine Aufnahme des kompletten Plangebiets in den Regionalplan in Aussicht. Die Anregungen und Hinweise der ersten Offenlegung wurden geprüft und gegebenenfalls in den Entwurf eingearbeitet und die neue Offenlage beschlossen.

Unter Bürgermeisterin Helga Uhl (2010 – 2016) erfolgten die Untersuchungen zur möglichen Umsetzung der geforderten arten-schutzrechtlichen Bestimmungen. Zeitgleich wurden Möglichkeiten für entsprechende Ausgleichsflächen und die notwendige Inanspruch-nahme von Ökopunkten geprüft und eine Erschließungsvariante  entwickelt. Im Juni 2010 ergab sich ein Strategiewechsel der HLG: Aufgrund mangelnder Verkaufsbereitschaft der Grundstückseigentümer im Plangebiet schlug sie einen Strategiewechsel vor und legte Vertragsentwürfe für eine freiwillige Umlegung vor. In einer Eigentümerversammlung stellte sie 2011 das neue Konzept über eine freiwillige Baulandumlegung mit Verkaufsoption für den Grundstückseigentümer vor. 2012 beschloss die Stadtverordnetenversammlung den Vertrag mit der HLG zu kündigen und mit einem geeigneten Steuerer das Projekt schnellstmöglich zu Ende zu führen.

2013 stellte die „Terramag“ ein überzeugendes Entwicklungskonzept vor. Das Büro erhielt Ende 2014 den Vertrag und startete 2015. Verschiedene Grundstücke für notwendige Ausgleichsmaßnahmen konnten von der Stadt erworben werden, und der Magistrat beschloss die Baulandumlegung. Seit 2016 ist   Roland Weiß Bad Orber Bürgermeister. In seine Zeit fielen sowohl die Offenlage des Bebauungsplanentwurfs als auch 2017 eine Anliegerversammlung, der Beschluss des Plans als Satzung, die Genehmigung des Regierungspräsidiums, das Inkrafttreten des Bebauungsplans, die Unanfechtbarkeit des Umlegungsplans (2018) und der Spatenstich für das Neubaugebiet (2019). Im Herbst 2020 konnte mit der Vermarktung der städtischen Wohnbaugrundstücke begonnen werden.

Die attraktive Lage des sonnenverwöhnten Neubaugebiets fand zahlreiche Interessenten. Tagesaktuelle Eintragungen können auf der städtischen Homepage unter „Grundstücke der Stadt“ eingesehen werden.

Abnahme des Vorstufenbaus mit Vertretern der „Terramag“, des Planungsbüros Häfner-Oefner,
des ausführenden Bauunternehmens Kropp und der Stadt Bad Orb mit Patrick Aulbach (links) und Sabine Mühl.

Viele Bauplätze in schönster Lage sind entstanden.